04.05.2025

Taiwan Today

Frühere Ausgaben

Diplomatisches Saatgut

01.05.1993
Seit Anfang der sechziger Jah­re greift die Republik China mit ihren Hilfsmissionen Ent­wicklungsländern unterstüt­zend unter die Arme. Durch die Weitergabe von techni­schem Wissen kann ein sichtli­cher Beitrag zur Verbesserung der Lage ärmerer Nationen erwirkt werden.
Bereits seit drei Jahrzehnten fördert die Republik China auf Taiwan mittels techinischer Hilfsprogramme das Wirtschaftswachstum in Entwicklungsländern. Gleichzeitig verbessern sich dadurch die zwischenstaatlichen Beziehungen.

Clifford S. P. Li(黎爕培)wurde nicht zu einem der typischen Auslandsposten berufen. Anstatt etwa in einem Büro im Zentrum einer internationalen Metropole zu sitzen und Papierkram zu erledigen, war er auf einer 200 Hektar großen Farm im Gebiet von El Rosario in Ecuador stationiert, siebenundzwanzig Kilometer entfernt von Guayaquil. Dort beschäftigte er sich mit Schweinezucht, Gemüse- und Reisanbau nach dem modernsten Stand der Agrartechnik. Seine Aufgabe also? Den Bauern Ecuadors Verfahren modernen Landbaus zu vermitteln.

Li war während seines Arbeitsaufenthaltes in Südamerika von 1984-1989 als Spezialist für das "Komitee für internationale technische Zusammenarbeit" (Committee of International Technical Cooperation, CITC) tätig und als solcher einer der mehr als 433 im Rahmen von Hilfsprogrammen in Entwicklungsländern stationierten Techniker der Republik China. Diese quasi-staatliche Einrichtung wird von Vertretern des Außen- und Wirtschaftsministeriums, des Landwirtschaftsrate sowie der Provinzregierung Taiwans geführt und schickt Missionen aus, die zur Verbesserung der medizinischen Versorgungslage beitragen oder Landwirtschaft, Fischerei und Handwerk auf die Sprünge helfen.

Leichte Arbeit ist es nicht. Um Erfolge zu erzielen, müssen die Leiter solcher Missionen erst einmal kulturelle, pädagogische sowie sprachliche Hindernisse überwinden, erklärt Li. Obwohl er Ingenieur der Landwirtschaftstechnik ist und für die Beaufsichtigung der Musterfarm hervorragend vorbereitet war, konnte er dennoch kein Wort Spanisch sprechen und wußte recht wenig über die Kultur des südamerikanischen Landes. So gestaltete sich anfangs auch die einfachste Kommunikation schwierig. Einige der zehn Ecuadorianer in der Gruppe sprachen Englisch, und Li konnte sich über diese von beiden Seiten beherrschte Zweitsprache verständigen; sonst bediente er sich der Brocken Spanisch, die er in den Abendkursen lernte. Es trug nicht gerade zur Erleichterung der Situation bei, daß Li oft der einzige Techniker war, der auf der Farm blieb. Zwar gab es eigentlich noch drei andere Spezialisten dort, doch die reisten oft herum.

Daß Li ganz auf sich selbst angewiesen war, ist keine Einzelerscheinung. Durch die Verringerung der Mitarbeiterzahlen einerseits und das Anwachsen der Projekte andererseits sind die Techniker in den Hilfsprogrammen jetzt dünner gesät, als dies zu Beginn in den sechziger Jahren der Fall war. Früher bestand eine Mission aus fünfzehn Mitarbeitern und einem Leiter; die Gruppe lebte und arbeitete zusammen an Ort und Stelle der Projektausführung. Heute gibt es zahlreiche Projekte, die von einem einzigen Beauftragten überwacht werden.

Dennoch verlief das Vorhaben erfolgreich. Die Musterfarm von El Rosario ist seit 1966 in Betrieb und vermittelte den einheimischen Bauern ein chinesisches Reisanbauverfahren, bei dem man den Setzling zuerst zwei bis drei Wochen im Glashaus vortreiben läßt, bevor er ins Freie umgepflanzt wird. Mit dieser Methode können tropische Pflanzungen drei Ernten pro Jahr einbringen. Li führte auch neue Anbaugeräte und Arten der Pestizidanwendung ein. Heutzutage wenden etwa siebzig Prozent der Reisbauern von El Rosario diese Setzlingsmethode an.

Aktivitäten im Gesundheitswesen, hier in Guinea-Bissau, zielen auf eine Linderung der medizinischen Unterversorgung. Der humanitäre Charakter solcher Einsätze wird von den Mitarbeitern des verantwortlichen "Komitees für internationale technische Zusammenarbeit" besonders herausgestellt.

Ihren Anfang nahmen die technischen Hilfsprogramme für Entwicklungsländer dank Yang Hsi-kun(楊西崑), ehemaliger Botschafter der Republik China in Südafrika, vor dreißig Jahren. Dieser schlug vor, man solle technische Informationen an hilfsbedürftige afrikanische Länder vermitteln, welche sich nicht lang zuvor von der Kolonialherrschaft befreit hatten. Im Gegenzug werde sich das vorteilhaft auf die internationalen diplomatischen Beziehungen der Republik China auswirken; diese waren zu jener Zeit eminent wichtig, da man sich bemühte, die Stellung in den Vereinten Nationen zu bewahren.

So wurde denn als erstes diplomatisches Hilfsprogramm im Jahr 1961 eine technische Mission nach Liberia entsandt. 1968, als das Komitee mit der Bezeichnung CITC bedacht wurde, hielten sich 25 Gesandtschaften in Afrika und acht in Entwicklungsländern anderer Erdteile auf.

Während der siebziger Jahre verlagerte sich der Schwerpunkt der Programme von Afrika weg, hin zu neuen Gebieten. "Als sich die Republik China 1971 von den Vereinten Nationen zurückzog, lockerten sich die Verbindungen mit afrikanischen Ländern. Viele unserer Entwicklungshilfegruppen kehrten zurück", erzählt Paul P. F. Lee(李伯芬), stellvertretender geschäftsführender Sekretär des Komitees. Zur selben Zeit formulierten südamerikanische und südostasiatische Nationen die Bitte um Hilfeleistungen der Republik China. Heute hat das Komitee 44 technische Missionen in aller Welt stationiert, wovon sich zehn in Afrika, elf in Mittelamerika, drei in Südamerika, neun in der Karibik, drei im Nahen Osten und acht im asiatisch-pazifischen Raum befinden.

Von diesen Hilfsgruppen konzentrieren sich 32 auf die Entwicklung landwirtschaftlicher Techniken, vor allem auf den Anbau von Hauptnahrungsmitteln wie Reis, Süßkartoffeln und Mais; oder aber auf die Einführung neuer, auf örtliches Klima und Geschmacksgewohnheiten abgestimmter Nutzpflanzen. Aus dem Engagement erwuchs so mancher große Erfolg. Im afrikanischen Malawi, wo eines der umfangreichsten Programme initiiert wurde, trug man zur Steigerung der jährlichen Reisernte von 4000 im Jahr 1965 eingebrachten Tonnen auf die heutigen 30 000 Tonnen bei. Zudem wuchs der Pro-Hektar-Ertrag von 760 auf 4500 Kilogramm. Schweinezucht in Paraguay und ein Maisanbauprojekt in Swasiland sind weitere Beispiele aus dem Agrarbereich.

In Ländern, wo die grundlegenden Nahrungsbedürfnisse bereits gedeckt sind, beschäftigen sich die Hilfsgruppen mit hochwertigen, exportorientierten Produkten. Eine 457 Hektar große Garnelenzuchtanstalt in Ecuador verzeichnete Ertragssteigerungen bis zu 1125 Kilogramm pro Hektar. Garnelen bilden nun ein wichtiges Ausfuhrprodukt für das Land. In Costa Rica bemüht sich eine Gruppe um die Züchtung einer hochwertigen kernlosen Traubensorte; außerdem trägt CITC zur touristischen Erschließung in der Karibik bei.

Ein sehr ehrgeiziges Projekt läuft derzeit in Grenada: Als Alternative zu den üblichen, preislich niedrig liegenden Feldprodukten unterstützt man in diesem Inselstaat den Anbau von Blumen. "Mit unseren landesüblichen Nutzpflanzen, wie Bananen, Kakao und Nüssen, sind wir auf zahlreiche Schwierigkeiten gestoßen, beispielsweise die durch Überproduktion bedingten niedrigen Weltmarktpreise und die Schutzmaßnahmen der Europäischen Gemeinschaft", klagt Daniel Roland Lewis, Wirtschaftsexperte im Landwirtschaftsministerium Grenadas. Mit dem Ziel, neue Exportprodukte zu finden, initiierte die Regierung von Grenada gemeinsam mit dem CITC im Jahr 1991 ein Projekt zum Anbau von alternativen Sorten. Bisher zählen Erdbeeren, Tomaten, Sternfrüchte, Wachsäpfel und Blumen zu den erprobten Arten. Besonders die Blumenzucht scheint Exporterfolge zu versprechen.

Während am Anfang der Missionstätigkeit dem afrikanischen Kontinent die Hauptaufmerksamkeit zukam, verlagerte sich in den siebziger Jahren der Schwerpunkt auf andere geographische Gebiete, wie Südamerika und Südostasien. Nach Panama wurde beispielsweise ein Team zur Unterstützung der Fischerei entsandt.

Neben dem Entsenden von Technikern ins Ausland führt das Komitee auch Trainingsprograrnme für ausländische Wissenschaftler, Bauern und Beamte durch. Die Kurse schwanken in der Dauer zwischen zwei Wochen und sechs Monaten und beschäftigen sich mit landwirtschaftlichen Techniken. CITC stellt allen Teilnehmern Stipendien und Gehälter zur Verfügung; jeder Lehrgang bietet intensive Schulung in speziellen Bereichen. Seit 1967 haben achthundert Personen aus 58 Ländern an den Kursen teilgenommen. Daneben folgten über sechshundert ausländische Regierungsbeamte der Einladung des CITC zu Führungen durch die landwirtschaftlichen und industriellen Einrichtungen Taiwans.

Algernon Pemberton, Koordinator eines Blumenzuchtvorhabens im Landwirtschaftsministerium von St. Lucia, der 1992 an einem CITC-Programm für Blumenanbau teilnahm, war besonders von der praxisbezogenen Vorgehensweise beeindruckt. "Es ist phantastisch, wieviel an Wissen ich über die Blumenzucht hinzugewonnen habe", schwärmt Pemberton. Die Teilnehmer besichtigten Zuchtanstalten und Blumenmärkte auf ganz Taiwan, bevor sie zu Experimenten mit einigen neuen Theorien in den hiesigen Labors übergingen. "Am besten ist es, den letzten Stand der Technik im landwirtschaftlichen Bereich zur Anwendung kommen zu sehen", meint Pemberton. "Auf Taiwan verwendet man Computer in der Landwirtschaft. Bei uns nicht."

Ungeachtet der Erfolge haben sich in den letzten Jahren für das CITC einige Probleme eingestellt. Die Gesandtschaften ins Ausland sind kostspielig und erfreuen sich bei manchen hiesigen Parlamentsabgeordneten nicht gerade großer Beliebtheit. CITC hat sich während der vergangenen fünf Jahre eine Budgeterhöhung um zehn bis fünfzehn Prozent ausgebeten, was jedoch wiederholt abgelehnt wurde. Im Jahr 1992 wurde der Etat sogar um etwa drei Prozent gekürzt. Im CITC tätige Beamte geben als Erklärung dafür an, daß Außenstehenden der starke Einfluß dieser Hilfsprogramme auf die diplomatischen Beziehungen der Republik China nicht ersichtlich ist. "Nicht wirklich in die Arbeit eingebundenen Personen ist das schwer verständlich", argumentiert Paul Lee von CITC. "Die Programme sind ein Trumpf, den wir bei der Betreibung unserer Außenpolitik ausspielen können."

Zudem gestaltet sich das Auffinden von Technikern immer problematischer. Letzten Dezember war es so, daß zu den Aufnahmeprüfungen für zwei offene Stellen überhaupt nur drei Bewerber antraten. Die Voraussetzungen sind hoch: zumindest der Universitätsabschluß in einem materienverwandten Fach und ein bis drei Jahre Arbeitserfahrung werden gefordert. Jedoch ist die Entlohnung vergleichsweise niedrig, und man kommt nicht in den Genuß aller üblichen Beamtenprivilegien. "Mit dem knappen Budget und den uns auferlegten Bestimmungen sind wir nicht in der Lage, die Gehälter unserer Gesandten zu erhöhen", beklagt Lee. In einer Gesellschaft mit raschem Lohnanstieg und im Überfluß vorhandenen Arbeitsstellen ist es für viele Menschen unattraktiv, in einem Entwicklungsland tätig zu sein.

Was Lee aber in letzter Zeit mit Wohlgefallen beobachtet, ist ein im Parlament befindlicher Gesetzentwurf, der die Zusammenlegung des CITC mit dem "Fonds für die Entwicklung der internationalen Wirtschaftszusammenarbeit" (International Economic Cooperation Development Fund) vorsieht. Der Fonds ist eine Einrichtung des Wirtschaftsministeriums und zuständig für die Vergabe internationaler Darlehen. Lee glaubt, daß die Freundschaftsbemühungen der Republik China durch diese Änderung einen klareren, solideren Rahmen erhalten und auch die Zukunft der technischen Hilfsprogramme sichergestellt werden kann.

Der mit den Gesandtschaften und Schulungskursen des CITC beschäftigte Personenkreis legt Wert auf den humanitären Charakter dieser Aufgabe. Clifford Li, der nun als Personalfachmann des Komitees fungiert, betont, daß die Programme Erfahrungen von unschätzbarem Wert vermitteln und international starke persönliche Verbindungen aufbauen. "Ich habe Landwirtschaftstechnik studiert, hatte aber keinerlei praktische Erfahrung, bevor ich zum technischen Hilfsprogramm stieß", erzählt Li. "Für mich war die Arbeit auf der Musterfarm in Ecuador ein gutes Training. Noch dazu hatte ich die Möglichkeit, eine ausländische Kultur und fremde Sitten kennenzulernen."

(Deutsch von Brigitte Rieger)

Meistgelesen

Aktuell